Sage und schreibe ein Drittel des Altebestandes an Küchengeräten, Waschmaschinen und Consumer Electronics wird nicht recycelt. Der Grund: Verbraucher wissen nicht wohin mit Altgeräten. Mangelnde Aufklärung ist Hauptgrund für diesen verschwenderischen Umgang mit Rohstoffen, wie eine repräsentative Verbraucherbefragung der Branchenorganisation gfu Consumer & Home Electronics und der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt.
Das Wissen über bestehende und ökologisch sinnvolle Rückgabemöglichkeiten fehlt gut einem Viertel der Bevölkerung. Allein in deutschen Haushalten lagern laut Analyse rund zwölf Tonnen Gold – in Form von ausgemusterten Smartphones, die gehortet werden.
40 Prozent der Deutschen wissen nach eigenen Angaben nicht, dass sie ihre Altgeräte bei Fachhändlern und -märkten zurückgeben können – auch dann, wenn sie die Geräte gar nicht dort gekauft haben. 70 Prozent wissen noch nicht, dass dies auch für Supermärkte und Hersteller gilt. Dass dies auch für viele Supermärkte und Hersteller gilt, ist 70 Prozent noch nicht klar. Und über 75 Prozent kennen ihr Rückgaberecht bei Online-Händlern nicht.
„Deutschland ist zwar ein Land des Sperrmülls, der Papiersammlung und des Grünen Punktes, aber bei gebrauchten technischen Produkten fehlt es eklatant an praktischem Wissen“, sagt Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin der gfu.
Jüngere mit Willen, aber Wissenslücken
Gerade jüngere Menschen zeigen große Wissenslücken beim Elektro-Recycling. So weiß laut Studie nur jeder zweite Erwachsene unter 35 Jahren, wie man ein großes Küchengerät dem Recycling zuführt. Bei den über 55-Jährigen sind es nach eigenem Bekunden immerhin 81 Prozent. „Gleichwohl geht von der jungen Zielgruppe der größte Veränderungsdruck auf Hersteller und Händler aus“, sagt Warneke. „Menschen zwischen 18 und 34 Jahren stehen Reparaturen am aufgeschlossensten gegenüber und verlangen am nachdrücklichsten nach kostenlosen Rückgabemöglichkeiten und besserer Aufklärung.“
Ohne funktionierende Rücknahme und Aufbereitung liegen jedoch erhebliche Mengen an wertvollen Rohstoffen brach, schlimmstenfalls werden Altgeräte umweltschädigend illegal entsorgt. „Für eine effektivere Rohstoffverwertung bei Haushaltsgeräten und Consumer Electronics bräuchte es mehr Einsatz von Herstellern, Händlern und Politik gleichermaßen“, sagt Dr. Martin Schulte, Partner der Strategieberatung Oliver Wyman und Co-Autor der Studie. „Geschlossene Wertstoffkreisläufe liegen im Interesse aller.“ Rechnerisch lagern 0,6 Waschmaschinen, 0,7 Küchengroßgeräte, 1,7 Laptops oder Unterhaltungselektronikgeräte und zwei Smartphones in jedem deutschen Haushalt. Umgerechnet in Metall bedeutet dies 45 Kilogramm Stahl, vier Kilo Kupfer, drei Kilo Aluminium – und vor allem wegen der Mobiltelefone sowie Laptops 0,3 Gramm Gold. Allein das ungenutzte Gold summiert sich so in Deutschland auf über zwölf Tonnen. „Der gesamte Materialwert pro Haushalt beläuft sich auf 130 Euro. Deutschlandweit summiert sich der Betrag damit auf mehr als fünf Milliarden Euro“, sagt Schulte. „Rücknahmesysteme müssen diesen Wert reflektieren und könnten über gezielte Anreize besser funktionieren.“
Diskussion um klarere Kennzeichnung
An Bereitschaft mangelt es Verbraucherinnen und Verbrauchern offenbar nicht: Statt eines Bekenntnisses zur Wegwerfkultur förderte die Befragung etliche diskussionswürdige Ideen zutage. Zu den Anregungen zählten: Labels und Indizes, die den Grad der Recyclingfähigkeit eines Gerätes schon beim Kauf zeigen. Außerdem: Informationen zum Rückgabesystem auf der Verpackung, Aufklärung in Schulen, Extra-Tonnen für Elektro-Altgeräte oder Radiowerbung an Abholtagen. Oliver Wyman-Experte Schulte sieht die Hersteller mit Blick auf Recyclingfähigkeit und Reparierbarkeit in der Pflicht. „Wenn es ernst sein soll mit dem European Green Deal, müssen Hersteller schon beim Produktdesign umdenken. Weniger kleben, mehr schrauben – das sollte das Motto sein.“
Auch auf den Handel kommen neue Aufgaben zu. Denn am vehementesten verlangten die Befragten in Deutschland nach der Möglichkeit zur kostenlosen Rückgabe. „Es ist kritisch zu hinterfragen, dass Händler Gebühren verlangen, Bedingungen wie einen Neugerätekauf stellen oder auch nur suggerieren, eine Rückgabe sei ein Akt der Kulanz“, sagt Schulte. Nach der gültigen europäischen WEEE-Richtlinie, die in Deutschland mit dem sogenannten Elektrogesetz („ElektroG“) umgesetzt wird, müssen Händler bis zu fünf Kleingeräte aus Privathaushalten unentgeltlich zurückzunehmen – allerdings abhängig von der Ladengröße. „Hier kann der Gesetzgeber auch mit weiterer Regulierung den Druck erhöhen“, sagt. Schulte. „Die Rückgabe zum Recyceln muss kostenlos und einfach sein.“
Mehr Konsequenz im Pilotmarkt Frankreich
Schneller voran geht Frankreich als EU-Pilotmarkt für den „Green Deal“ zur angestrebten Klimaneutralität: Seit 2021 sind dort beispielsweise Waschmaschinen mit einem „Reparierbarkeits-Index“ versehen. 2022 startete eine Kampagne für eine Fünf-Jahres-Garantie auf reparierte Elektrogeräte, für 2024 ist ein erweiterter Haltbarkeits-Index für Geräte vorgesehen, der Käufer:innen als Entscheidungshilfe dienen soll. Schon heute liegt die Reparaturquote für Elektrogeräte in Frankreich mit 32 Prozent deutlich höher als in England (24 %) und Deutschland (22 %), wie die Untersuchung zeigt. Schulte führt diesen Vorsprung auf den politisch erzeugten Bewusstseinswandel im Pilotmarkt zurück. „Die erhöhte Aufmerksamkeit für Reparaturen zeigt in Frankreich erste Effekte.“
In Deutschland scheitert die Reparatur etwa einer Waschmaschine laut Umfrage vor allem an den als zu hoch empfundenen Kosten (39 %), gefolgt von der Ansicht, das Gerät lasse sich gar nicht reparieren (18 %), sowie der Erfahrung, es mangele an Ersatzteilen (10 %). „Es sind allesamt lösbare Themen bei entsprechender Bereitschaft von Politik und Industrie“, sagt gfu Geschäftsführerin Warneke. Erneut zeigen die jüngeren Menschen zwischen 18 und 34 Jahren, wie hoch Reparaturen bei ihnen theoretisch im Kurs stünden: Bereits 21 Prozent bevorzugen bei der Anschaffung wiederaufbereitete Geräte gegenüber Neuware. Und zwölf Prozent nutzen schon heute lieber Miet- oder Sharing-Modelle, anstatt sich ein neues Elektrogerät zu kaufen. „Wer auf Herstellerseite diesen Sinneswandel der nachkommenden Käuferschichten verschläft, wird es schwer haben“, prognostiziert Warneke.
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