Wie steht es um die Zukunft der IFA in Berlin? Welche Konzepte sind mit gfu und Clarion in Arbeit? Ein offener Brief von SmartWeekly-Herausgeber Lutz Rossmeisl – sowie persönlichen Stellungnahmen der expert SE, ElectronicPartner, Euronics und Telering. Die Reaktion von der gfu durch Frau Dr. Sara Warneke haben wir ebenfalls bereits erhalten.
Sehr geehrte Frau Dr. Warneke,
aufgrund meiner vielen Gespräche mit der Industrie und den Kooperationen erlaube ich mir, Ihnen heute offen die alarmierende aktuelle Situation der IFA aus der Sicht von Ausstellern und Händlern zu schildern. Grund meines Schreibens ist die breit geäußerte Angst in der Branche, dass die IFA aufgrund der Fehleinschätzung von Verbänden und Instituten das gleiche Schicksal ereilt wie bereits andere etablierte Messen in Deutschland.
Es wurde höchste Zeit, dass sich das Unternehmen Clarion, die gfu und die Messe Berlin nach anderthalb Jahren endlich über ein Modell der Zusammenarbeit verständigt haben. Die Verkündung der jetzt gefundenen Lösung war zwar für die Hausgeräte eine positive Nachricht, allerdings wurde hier von der Industrie auch erwartet, dass ein neues, tragfähiges Zukunftsmodell vorgestellt wird, was nicht erfolgte.
Die Hausgeräte-Branche muss in Sachen IFA planen können – es ist für 2023 bereits fünf vor zwölf. Die Industrie und die Handels-Kooperationen warten dringend auf entsprechende verbindliche Informationen und sie erwarten adäquate Ansprechpartner mit Erfahrung für die erfolgreiche Umsetzung der neuen IFA. Gelingt es Ihnen nicht, die IFA entsprechend konzeptionell und personell aufzustellen, wird es für den Neustart der Messe sehr schwer.
Die gfu und Clarion müssen klar definieren, für was die IFA steht, und sie müssen das verlorene Vertrauen zurückgewinnen.
Hausgeräte sind in Europa, wie Sie wissen, ein großes, aber auch schwieriges Geschäft. Dies gilt allerdings auch für das Messe-Business. Mit reinem Event-Fachwissen aus UK und zu wenig Kenntnissen über die Befindlichkeiten der Industrie und Kooperationen besteht die große Gefahr, dass der Neuanfang scheitern wird. Wir alle brauchen an dieser Stelle echte Messe-Macher, die die Bedürfnisse der Industrie und der Kooperationen aufgrund der jahrelangen Zusammenarbeit und ihrer Messeerfahrung verinnerlicht haben.
Liebe Frau Dr. Warneke, eigentlich ist für die „neue IFA“ alles startklar und es könnte richtig losgehen. Die Branche wünscht sich nichts sehnlicher als eine moderne, zeitgemäße IFA mit Messe-Machern, die die Anliegen und Bedürfnisse der Industrie und Kooperationen verstehen. Bitte sorgen Sie mit dafür, dass schnellstmöglich von einer solchen Basis aus “unsere IFA” in eine gute Zukunft starten kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Lutz Rossmeisl, Herausgeber SmartWeekly
Reaktion auf den offenen Brief von SmartWeekly-Herausgeber Lutz Rossmeisl durch Dr. Sara Warneke, gfu
Sehr geehrter Herr Rossmeisl,
vielen Dank für Ihr Engagement hinsichtlich der IFA. Sie dürfen sicher sein, dass auch uns nichts mehr am Herzen liegt als eine exzellente und wirkungsvolle IFA am Standort in Berlin. Dafür sind auch Anregungen aus der Branche sehr wertvoll und bei uns stets willkommen – vielen Dank daher auch für die Weiterleitung der Gedanken einiger Kolleginnen und Kollegen. Ich hoffe, dass Sie meine Mail ebenfalls in Ihren Wortmeldungen berücksichtigen.
Allen Beteiligten ist bewusst, was für eine wertvolle Marke die IFA ist – und dass dies vor allem dem Erfolg in den letzten zwei Jahrzehnten zuzurechnen ist. Nach zwei Pandemie-Jahren und neuen Anforderungen in der Messe- und Veranstaltungswirtschaft war uns wichtig, mit Clarion einen neuen Partner an Bord zu holen. Gemeinsam arbeiten wir an einem Konzept, das auf die angesprochenen Erfolge einzahlt, aber gleichzeitig die IFA sicher für die Zukunft macht und das internationale Profil schärft. Wir bauen gerade ein Team auf, in dem sowohl deutsche als auch internationale Industrie- und Eventexperten mit großer Erfahrung am zukünftigen Erfolg der IFA arbeiten werden. Bitte bedenken Sie aber auch, dass der Vertragsabschluss und die Neugründung der IFA Management GmbH nur wenige Wochen alt sind. Bis dahin war für uns nicht sicher, ob die Organisation der IFA 2023 noch einmal durch die Messe Berlin erfolgt, oder bereits durch das Joint Venture. Deshalb konnte an der zukünftigen Konzeption erst seit der Vertragsunterzeichnung gearbeitet werden. Entsprechend haben die Kolleginnen und Kollegen der IFA Management GmbH ihre Arbeit direkt mit Gründung des Joint Ventures aufgenommen. Dieses Unternehmen wird der gesamten IFA-Branche im neuen Jahr das Konzept präsentieren, das den Auftakt für die kommenden IFA-Jahre darstellt und unsere Pläne in Sachen Marketing und Content aufzeigt. Darüber hinaus wird das Joint Venture stark in Bereiche investieren, in denen die IFA noch Entwicklungspotential hat – zum Beispiel Digital Health, Robotik, Nachhaltigkeit, Gaming, AI, Mobilität, …
Ich darf stellvertretend betonen, dass alle Beteiligten, ebenso wie ich, stets offen für Anregungen, Gespräche und Ideen hinsichtlich einer erfolgreichen IFA-Konzeption sind. Oliver Merlin, der Geschäftsführer der IFA Management GmbH, hat sich bereits wichtigen Ausstellern und Partnern persönlich vorgestellt. Wir sind auch schon mit vielen Vertretern der Branche im Austausch, um diese einzubinden und sowohl Erfolgsgaranten als auch Bedenken zu identifizieren. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und die der Fachhandelskooperationen ebenso zum Anlass und sind dazu bereits in der Abstimmung für persönliche Gespräche mit den Absendern.
Viele Grüße
Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin gfu Consumer & Home Electronics GmbH
Statement Dr. Stefan Müller, Vorstandsvorsitzender der expert SE
„Für expert ist Berlin als Veranstaltungsort der IFA und unserer Kooperationsmesse KOOP der optimale Messestandort und somit in unserer Veranstaltungsplanung fest gesetzt. Gerade das internationale Messeformat der IFA ist für uns aus verschiedener Hinsicht ein wichtiger und notwendiger Bestandteil unserer Branchenveranstaltungen: Auf der einen Seite ist der persönliche und komprimierte Kontakt zu unseren Industriepartnern, wie wir ihn auf Formaten wie der IFA finden, wichtiger denn je. Das haben wir besonders in den vergangenen Jahren, in denen wir vermehrt auf virtuelle und hybride Veranstaltungen ausweichen mussten, gemerkt. Zum anderen benötigen wir in unserer schnelllebigen Elektronikbranche die jährlichen Produktimpulse und -innovationen für unsere Kunden – die IFA stellt daher sowohl für Aussteller als auch für Kunden eine bedeutende Plattform dar, um jene Produktinnovationen live präsentieren und kennenlernen zu können.
Mit Spannung warten wir daher auf die Vorstellung eines gleichermaßen innovativen, zeitgemäßen und zukunftsfähigen Messekonzeptes, dass die IFA als Event als auch den Messestandort Berlin langfristig absichert. Hier setzen wir auf die Ideen von Messe Berlin, der gfu und Clarion sowie einen konstruktiven Dialog zwischen Veranstaltern und den Branchenteilnehmern.
Zu dem von uns gewünschten zukunftsfähigen Messekonzept gehört selbstverständlich auch ein professionelles Management-Team, damit eine optimale und reibungslose Organisation und Abwicklung sichergestellt sind. Hier sollten die Verantwortlichen auf Erfahrungen und persönliche Kontakte aus der Elektronikbranche zurückgreifen können, um in der Zusammenarbeit aller Beteiligten den Erfolg der „neuen“ IFA sicherzustellen. Es ist ein Messe-Team gefragt, dass über die gewohnten Abläufe hinausgeht, sich engagiert für ein innovatives Messekonzept mit Zukunftsfähigkeit einsetzt und dieses durch frische und fundierte Ideen zum Leben erweckt. Nur mit der entsprechenden Überzeugung und Begeisterung lässt sich ein neues Konzept für die IFA zum Leben erwecken und in der Branche etablieren. Denn am Ende wird genau dieses neue Messekonzept, dass jetzt notwendig ist, über die Zukunft der IFA für die Branche entscheiden.”
Statement Karl Trautmann,
Vorstand ElectronicPartner
“Nachdem wir aus der Presse erfahren haben, dass die IFA weiter in Berlin stattfinden wird, war die Erleichterung bei ElectronicPartner zunächst sehr groß. Die weltweit wichtigste Leitmesse unserer Branche bleibt „zu Hause“ – bequeme Anreise für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentrale inklusive. Wenn dann aber deutlich wird, dass für die Konzeption und operative Ausrichtung der IFA 2023 eine neugegründete IFA-Management-Gesellschaft verantwortlich zeichnet, die ziemlich genau achteinhalb Monate vor Messe-Start 2023 noch kein Konzept, keine Idee oder wenigstens einen Ansprechpartner benannt hat, bilden sich Sorgenfalten. Insbesondere, wenn man wie beispielsweise unser Messeteam für die Konzeption und die operative Umsetzung des IFA-Auftritts der gesamten ElectronicPartner Gruppe und zusätzlich auch noch des kompletten E-Square Verbundes mit 20 Partnern aus 16 Ländern verantwortlich ist. Der große Wunsch unseres Teams: „Knüpft an den jahrzehntelangen Erfolg der IFA an, indem ihr die Erfahrung versierter Messe-Profis mit neuen Ideen kombiniert und gebt endlich Gas!“.
Statement Benedict Kober, Sprecher des Vorstands EURONICS Deutschland
“Die IFA ist für EURONICS und auch für mich persönlich eine Herzensangelegenheit erster Güte. Durch die schwierigen Gespräche und teils negative Presse ist die Stimmung angespannt und wir haben Zeit verloren. Umso wichtiger ist es nun, dass unverzüglich eine moderne, mit neuen Formaten gespickte Consumer Electronics- und Home Appliance-Messe mit internationalem Format vorangetrieben wird. Aufgrund der nicht unerheblichen Komplexität in der Organisation der IFA ist es natürlich mehr als wünschenswert, wenn erfahrene IFA-Manager und Teams für die Planung und Durchführung der IFA 2023ff gewonnen werden können. Insbesondere im Hinblick auf das 100jährige Jubiläum in 2024 sollten jetzt die Weichen für das einzigartige Ereignis im übernächsten Jahr gestellt werden.”
Statement Udo Knauf, Geschäftsführer Telering
“Wir haben uns sehr über die Nachricht gefreut, dass es nunmehr gelungen ist, einen langfristigen Vertrag abzuschließen, der den Verbleib der IFA in Berlin sichert. Unsere gesamte Branche benötigt die Leitmesse IFA in Deutschland. Daher wollen wir von unserer Seite alles tun, was in unserer Macht steht, um die Veranstaltung nicht nur zu erhalten, sondern in ein zukunftsfähiges und erfolgreiches Format zu begleiten. Mit der neuen Gesellschaft der IFA Management GmbH wurde nun ein Rahmen geschaffen, aber letztendlich auch noch nicht mehr. Was nun gefordert ist, wird sehr deutlich, wenn man auf die vergangene IFA 2022 zurückblickt. Der erhebliche Besucherrückgang ist nur ein signifikanter Indikator. Man benötigt ein neues Konzept, eine klare Zielsetzung mit einer deutlichen Positionierung in der sich alle Besucher, die man dort gerne begrüßen möchte, auch wiederfinden. Dazu empfehlen wir, alle verfügbaren Experten an einen Tisch zu bringen, die dazu werthaltigen Input liefern können. Und die Zeit drängt enorm, hier muss nun richtig Gas gegeben werden.”